nach oben

Anzeige

Marc Surer sieht das Hinwiler Sauber-Team auf dem richtigen Weg. (Foto: Sauber Motorsport AG/PD)

«Das ist eine Wahnsinnssteigerung»

Das Hinwiler Sauber-Team ist wieder regelmässiger Punktekandidat. Vor dem GP in Silverstone spricht der Schweizer Ex-Pilot Marc Surer (66) über den Fortschritt der Hinwiler, die Ausnahmeerscheinung Charles Leclerc und den schlechten Ruf von Marcus Ericsson.

Marc Surer sieht das Hinwiler Sauber-Team auf dem richtigen Weg. (Foto: Sauber Motorsport AG/PD)

Veröffentlicht am: 06.07.2018 – 12.56 Uhr

Marc Surer, am Sonntag steht der dritte GP innerhalb von drei Wochen an. Das ist ein Novum – finden Sie diese hohe Kadenz gut?
Marc Surer: Nein. Der 14-Tage-Rhythmus ist sinnvoller, auch für die Zuschauer. Drei Rennen in Serie, ausgerechnet während der Fussball-WM – das ist ungeschickt.

Wäre das überhaupt denkbar gewesen, als Sie als Fahrer aktiv waren?
Nein, das hätte überhaupt nicht geklappt. Zu meiner Zeit war die Logistik umständlicher, die Autos und das ganze Material waren nicht so schnell vor Ort. Heute sind die Transporte gut durchorganisiert.

Das Sauber-Team hat in den letzten drei Rennen gepunktet, zuletzt in Österreich gar erstmals seit 2015 beide Autos in die Punkte gebracht. Was trauen Sie Sauber am Wochenende in Silverstone zu?
Sauber hat inzwischen auf jeder Strecke eine Chance, in die Punkte zu fahren, doch man darf nicht vergessen: Die Sauber-Fahrer mischen nicht von Anfang an vorne mit. Sie kommen in die Punkte, wenn in der Spitzengruppe zwei, drei Autos ausfallen. Man darf die Punkte deshalb nicht überbewerten. Doch das Auto ist genug stark fürs Mittelfeld – das ist eine Wahnsinnssteigerung, wenn man das mit den letzten Jahren vergleicht.

Haben Sie eine so starke Steigerung erwartet?
Anfang Jahr war Sauber ja noch immer weit hinten. Teamchef Frédéric Vasseur sagte mir einmal, sein grösstes Problem sei, dass neu eingestellte Leute eine Sperrfrist von sechs Monaten haben, wenn sie von einem anderen Team wechseln. Sie kamen erst Anfang Jahr hinzu. Deswegen sah man zu Saisonbeginn Anfang Jahr nur einen kleinen Schritt, weil nicht mehr der alte, sondern der aktuelle Motor im Auto war. Am Auto ging eigentlich nicht viel vorwärts. Aber jetzt sind die neuen Leute im Einsatz und man merkt, wie das Auto weiterentwickelt wird. Von Rennen zu Rennen kommen neue Teile. Vasseur hat Wort gehalten – die Weiterentwicklung funktioniert. Der Fortschritt ist seiner Strategie zu verdanken.

Sind die Änderungen am Chassis denn der grössere Fortschritt als der neue Motor?
Der Motor wird zu hoch bewertet. Wenn man hinterherfährt und dem Motor die Schuld gibt, ist das eine Ausrede. Die Faustregel ist: Um eine Sekunde schneller zu sein, braucht man zehn Prozent mehr Leistung – das wären derzeit etwa 90 PS mehr. So gross ist der Unterschied zwischen den Motoren aber nicht. Man musste das Auto weiterentwickeln – und dort ist auch der grosse Fortschritt passiert.

Charles Leclerc überzeugte bisher fast an jedem Rennen. Ist er ein künftiger Weltmeister, wie es viele glauben?
Er hat die Voraussetzungen dafür – aber man kann in der Formel 1 schlecht voraussagen, wie sich jemand entwickeln wird. Es gab schon oft Supertalente, bei denen es nicht mehr weiter ging. Das Wichtigste ist, dass man auf den Punkt etwas umsetzen kann – das ist in der Formel 1 krasser als in jeder anderen Rennserie. Leclerc scheint das zu tun. Er fährt in jedem Rennen konstant auf hohem Niveau. Das sind gute Voraussetzungen, um auch ganz Grosses erreichen zu können. Aber für Prognosen ist es zu früh.

Wo sehen Sie das grösste Verbesserungspotenzial?
Im Moment sehe ich keine Schwächen. Er holt aus dem Auto das Maximum heraus – im Training und im Rennen. Verbesserungspotenzial käme vielleicht zum Vorschein, wenn er neben einem Toppiloten fahren würde.

Das könnte bald der Fall sein, ein Wechsel zu Ferrari auf die nächste Saison steht im Raum. Wäre das sinnvoll, nach nur einem Jahr in der Formel 1?
Der Zeitpunkt wäre gefährlich, denn Leclerc käme in seiner jungen Karriere schon sehr früh stark unter Druck. Die italienischen Medien sind extrem. Ein Ferrari muss gewinnen, sonst ist der Fahrer nix. Wenn Ferrari Leclerc als klare Nummer 2 einstellen würde, dann hätte er eine Chance, sich zu etablieren. Sebastian Vettel ist ein perfekter Mann in Sachen Autoabstimmung und Taktik – im Direktvergleich mit ihm wird es sowieso schwierig. Wenn Leclerc aber Vettel einfach decken soll, dann kann es funktionieren.

Glauben Sie, dass der Wechsel Tatsache wird?
Ja. Eigentlich hätte Ferrari ja Daniel Ricciardo nehmen müssen. Dass sie das nicht tun, kann ich mir nur damit erklären, dass Vettel dagegen ist. Da wäre es nur logisch, Leclerc zu nehmen. Wobei das ja auch gut ist: Wenn Ferrari den Nachwuchs schon fördert, sollen sie ihre Nachwuchspiloten auch einsetzen. Nach einem Lehrjahr bei Sauber, wo er so souverän fährt, macht das auch Sinn. Wieso soll er nochmals ein Lehrjahr machen?

Bei Sauber dürfte man dem Wechsel nicht gerade mit Freude entgegenblicken.
Ja, aus Sauber-Sicht muss man den Abgang befürchten. Jetzt haben sie endlich einen Fahrer, der das Team nach vorne bringt. Wenn der geht, muss man wieder einen  wie Antonio Giovinazzi ins Auto setzen. Natürlich ist das Auto besser geworden, und auch Giovinazzi kann in die Punkte fahren. Aber es wäre nicht mehr dasselbe wie mit einem Fahrer, der jederzeit das Maximum herausholt.

Was halten Sie vom Gerücht, dass Leclerc und Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen noch während der Saison das Cockpit tauschen könnten?
Davon halte ich gar nichts – für mich ist das ein Blödsinn, der von irgendwelchen Journalisten stammt.

Für Marcus Ericsson ist es eine schwierige Saison – vielleicht wäre er froh über weniger interne Konkurrenz. Er hat gegen Leclerc kaum eine Chance.
Ja, aber gegen Pascal Wehrlein, der auch als grosses Talent galt, zeigte Ericsson, dass er aus dem richtigen Holz geschnitzt ist. Er ist wohl nicht so schnell wie Leclerc, macht seine Sache aber gut. Er ist zäh.

Ericsson hat das Image eines Paydrivers – das wird ihm also nicht gerecht?
Den schlechten Ruf hat er nicht verdient. Wie gesagt, er hatte das Mercedes-Talent Wehrlein im Griff. Das ist ein Leistungsausweis. Ericsson hat eine gute Basis, aber auch Schwankungen. Wenn es ihm läuft, ist er gut. Wenn etwas dazwischen kommt, fällt er oft aus dem Rhythmus.

Frédéric Vasseur ist nun seit bald einem Jahr Sauber-Teamchef. Sportlich läufts gut, mit Alfa ist ein Titelsponsor da – hat Vasseur bisher alles richtig gemacht?
Ich glaube schon. Er sah die Schwächen des Teams und setzte gleich den Hebel an. Am Anfang war er erstaunt, dass Sauber den besten Windkanal hat, aber zuwenig Leute, die ihn bedienen können. Man hatte in der Krise die guten Leute verloren. Vasseur hat das korrigiert und Personal für die wichtige Aerodynamik-Abteilung verpflichtet. Er ist auf einem guten Weg.

Seit Anfang Juli ist Simone Resta Technikchef. Er kam von Ferrari. Ist das ein Zeichen dafür, dass Sauber zum Ferrari-B-Team wird?
Es ist schwierig zu beurteilen, ob Resta von Ferrari weg wollte, weil er sich dort nicht verwirklichen konnte, oder ob Ferrari Sauber helfen möchte. Beides ist möglich. Mein Gefühl sagt mir eher, dass sich Resta bei Sauber besser verwirklichen kann – bei Ferrari war er nicht die Nummer 1.

Wäre es überhaupt schlecht, ein B-Team zu sein?
Derzeit ist Haas so ein Team, und im Prinzip muss es ein Traum sein für Sauber, eine ähnliche Unterstützung zu erhalten. Noch mehr Sinn machen würde es in meinen Augen, wenn Alfa Romeo grösser einsteigen und sich am Team beteiligen würde. Sauber wäre auch dann ein Ferrari-B-Team, aber mit einem anderen Erscheinungsbild.

Dafür gibt es ja durchaus Indizien. Die Perspektiven in Hinwil sind jedenfalls besser als noch vor zwei, drei Jahren.
Ja, darüber bin ich sehr froh. Natürlich kann man nun sagen, das sei nicht mehr das richtige Sauber-Team. Doch als BMW übernahm, war das nicht anders. Es ist doch gut, wenn Sauber als kleines Schweizer Team dank der Hilfe von Alfa Romeo und Ferrari gut dastehen kann. Wir können froh sein, dass das so passiert ist.


Dieser Artikel wurde automatisch aus unseren alten Redaktionssystemen auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: servicedesk@zol.ch

Kommentar schreiben

Bitte geben Sie ein Kommentar ein.

Wir veröffentlichen Ihren Kommentar mit Ihrem Vor- und Nachnamen.
* Pflichtfeld

Anzeige

Anzeige